Stabiler Sitz und das Innenohr

Ein stabiler, situativ angepasster Sitz benötigt eine adäquate Anspannung der Streckermuskulatur. Ohne „spinalen Extension“ – also die Aufrichtung der Wirbelsäule, ist stabiler Sitz auf dem Pferd nicht möglich. Dabei geht es neben einem kontrollierten Einsatz der Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen auch um eine reaktive Stabilität des Körpers während der Bewegung, allem voran des Kopfes. Die Stabilität des Kopfes bzw. der Halswirbelsäule ist abhängig von der Funktion unseres Gleichgewichtsorgans im Innenohr, dem vestibulären System. Dort registrieren die Bogengänge und Makulaorgane die Bewegungen des Kopfes und Beschleunigungen in der Horizontalen und Vertikalen. Diese Informationen werden extrem schnell verarbeitet und die Streckermuskulatur unseres Körpers wird entsprechend der Kopfbewegung aktiviert. Diese Aktivierung kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Zum einen stellt diese Verbindung einen Schutzmechanismus dar, damit im Falle eines Sturzes unser Gleichgewichtssystem rechtzeitig die Strecker aktivieren kann, um einen Sturz entweder durch eine Gegenkontraktion zur Fallbewegung zu verhindern oder eine reaktive muskuläre Schutzspannung aufzubauen. Des Weiteren sorgt eine optimale Funktion des vestibulären Systeme für eine ideale Ansteuerung der Strecker. Das heißt, nur wenn das Gleichgewischtssystem gut funktioniert, kann der Reiter den Körper auch ideal auf dem Pferd ausbalancieren, präsize Hilfen geben und stabil sitzen. Defizite im vestibulären System können die Ansteuerungsfähigkeit beeinträchtigen. Das Ergebnis kann sein: Sitzfehler, die sich nicht abstellen lassen, mangelnde Stabilität oder Geschmeidigkeit im Sitz, unpräzise Hilfen und schlechtes Timing.Das macht sich in Bezug auf den Körper des Reiters durch folgende Symptome bemerkbar: 

• schwache Rückenmuskulatur auf eines Seite
• schwache Rückenstreckmuskulatur auf der Seite des Defizits(was ist die hintere Kette?)
• einseitige Nackenprobleme
• einseitige verspannte oder verhärtete Rückenmuskulatur
• Drehungen/Wendungen in eine bestimmte Richtung fallen deutlich schwerer

Begleitet werden diese Symptome meist von anderen eher globale Symptomen, die jedoch auch auf eine Fehlfunktion des vestibulären Systems zurückzuführen sein können: 

• eine Schulter hängt tiefer als die andere
• bei aufrechtem Stand mit geschlossenen Augen die Tendenz in eine Richtung zu schwanken
• leichte Seitstellung des Kopfes (Rotation oder Lateralflexion)
• Instabilität beim Stehen auf einem Bein
• Einknicken in der Hüfte
• Wendungen und Seitengänge in eine Richtung schwieriger

Das vestibuläre System ist u.a. direkt mit den Motorneuronen in der Nackenmuskulatur über den medialen vestibulospinalen Trakt verbunden. Dysfunktionen im vestibulären System können zu einer übermäßigen Muskelspannung im Nacken führen. Die Rumpfmuskulatur und die Beinstrecker sind über den lateralen vestibulospinalen Trakt mit dem Gleichgewichtssystem verbunden. Da z.B. das Reiten eine ausreichende Stabilität, aber gleichzeitig auch Flexibilität in den unteren Extremitäten, im Rumpf und im Nacken benötigt, ist das vestibuläre System fürs beim Reiten extrem wichtig. Liegen eine oder mehrere der oben genannten Symptome vor, sollte auf eine Störung des vestibulären System getestet und entsprechend trainiert werden.

Im Video oben siehst Du Alex dabei, eine einfache Aktivierung für verschiedene Teile des Gleichgewichtssystems zu absolvieren. Fixiere mit deinem Blick ein visuelles Ziel und gehe vorwärts und rückwärts im Wechsel, während du mit deinem Kopf ja ja oder nein nein Bewegungen machst. Deine Augen bleiben die ganze Zeit auf das Ziel fixiert.

Wenn du an Deinen eigenen Themen für Deinen Sitz und eine präzisere Hilfengebung arbeiten möchtest, dann sei doch bei unserem Webinar zu diesem Thema dabei. Wir freuen uns auf Dich.