Übelkeit und Erbrechen - Gehirnsache

Übelkeit und Erbrechen sind Symptome, die viele Menschen irgendwann in ihrem Leben erleben werden. Im Kontext von Long Covid treten auch diese Symptome häufig auf. Für Betroffene ist es schwer, damit umzugehen. DIe Lebensqualität sinkt dramatisch. In den letzten Jahren hat die Forschung erhebliche Fortschritte bei der Aufklärung der neurologischen Mechanismen gemacht, die diesen Zuständen zugrunde liegen. Dieser Artikel wird die Pathogenese von Übelkeit und Erbrechen aus einer neurozentrierten Perspektive kurz und verständlich untersuchen und dabei sowohl auf aktuelle Forschungsergebnisse als auch auf historische Erkenntnisse eingehen.

Pathophysiologie von Übelkeit und Erbrechen

Übelkeit und Erbrechen werden durch eine komplexe Wechselwirkung zwischen dem Verdauungssystem, dem zentralen Nervensystem (ZNS) und verschiedenen chemischen Signalwegen im Körper ausgelöst. Zentral für das Verständnis dieser Prozesse ist das Brechzentrum im Gehirn, das sich in der Medulla oblongata befindet. Dieses Zentrum empfängt und integriert Signale von verschiedenen Quellen, einschließlich des Gastrointestinaltrakts, des Vestibularapparats, des chemorezeptiven Auslösezentrums (CTZ) und des ZNS.

  1. Gastrointestinaltrakt: Der Gastrointestinaltrakt kommuniziert über den Vagusnerv und andere autonome Nervenwege mit dem Brechzentrum. Irritationen im Magen-Darm-Trakt wie Infektionen, Entzündungen oder mechanische Reizungen können Übelkeit und Erbrechen auslösen.

  2. Vestibularapparat: Der Vestibularapparat im Ohr, der für das Gleichgewicht zuständig ist, kann bei Störungen Übelkeit und Schwindel verursachen. Dies ist oft bei Bewegungskrankheit der Fall. Das Vestibulum und die Brechzentren liegen im Hirnstamm nah beieinander und sie kommunizieren direkt miteinander. Verarbeitungsstörungen in den Vestibulären Zellkernen können so zu Brechreiz und Übelkeit beitragen. 

  3. Chemorezeptiver Auslösezentrums (CTZ): Das CTZ, lokalisiert in der Area postrema, ist empfindlich für chemische Substanzen im Blut und Liquor. Toxine oder Medikamente können das CTZ stimulieren und Übelkeit oder Erbrechen verursachen.

  4. Zentrales Nervensystem: Psychologische Faktoren wie Stress oder Angst können ebenfalls Übelkeit und Erbrechen hervorrufen. Diese Reaktion wird durch das limbische System und andere Bereiche des Gehirns, die Emotionen verarbeiten, moderiert.

Neurotransmitter und ihre Rolle

Verschiedene Neurotransmitter sind an der Regulation von Übelkeit und Erbrechen beteiligt. Dazu gehören:

  • Serotonin (5-HT): Besonders 5-HT3-Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle. Serotonin wird im Gastrointestinaltrakt freigesetzt und stimuliert das Brechzentrum und das CTZ. Durch Ernährungsinterventionen und Serotonin-Antagonisten wie zum Beispiel Famotidin oder Cyproheptadin kann Serotonin reguliert werden. 
  • Dopamin: Dopaminrezeptoren, insbesondere der D2-Typ, sind ebenfalls im CTZ vorhanden und können Übelkeit und Erbrechen auslösen.
  • Histamin: Histaminrezeptoren, vor allem H1-Typ, beteiligen sich an der vestibulären Übelkeit.
  • Acetylcholin: Dieser Neurotransmitter ist im Vestibularapparat aktiv und kann bei Stimulation zu Übelkeit führen.

Pharmakologische Behandlungsansätze

Die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Antiemetika, Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, zielen auf die oben genannten Neurotransmittersysteme ab. Dazu gehören 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten, D2-Rezeptor-Antagonisten, H1-Antihistaminika und muskarinische Antagonisten.

Angewandte Neurologie 

Vagusnervstimulationen, Visuelle und vestibuläre Übungen sowie Training für individuelle Kraniale Nerven können Symptome lindern. Diese Übungen müssen getestet werden und dann in ausreichender Frequenz und Intensität gepaart trainiert werden. Gerne beraten wir Sie dazu in einer 1:1 Konsultation oder in unserem 12-Wochen Online Gruppentraining.

Wickham, Rita. (2020). Revisiting the physiology of nausea and vomiting—challenging the paradigm. Supportive Care in Cancer. 28. 10.1007/s00520-019-05012-8. 

Fazit

Die Pathogenese von Übelkeit und Erbrechen ist ein komplexes Zusammenspiel neurologischer, gastrointestinaler und chemischer Faktoren. Ein tieferes Verständnis dieser Mechanismen hat zu effektiveren Behandlungsmethoden geführt und bietet Hoffnung für Menschen, die unter diesen belastenden Symptomen leiden.

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Quellen:

  1. Hornby, P.J. (2001). Central neurocircuitry associated with emesis. American Journal of Medicine, 111(Suppl 8A), 106S-112S.
  2. Sanger, G.J., & Andrews, P.L.R. (2006). A history of drug discovery for treatment of nausea and vomiting and the implications for future research. Frontiers in Pharmacology, 7, 412.
  3. Breslin, N., & Baptista, V. (2014). The neurophysiology of nausea and vomiting in pregnancy and vertigo. Clinical Anatomy, 27(8), 1220-1229.
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